„In den letzten Jahren hörte ich immer wieder – sowohl in meiner Praxis für Energetische Psychologie in Retz, als auch als Beraterin für soziale Organisationen – den Wunsch von Kund/-innen und Klient/-innen nach mehr innerer Ruhe, Zufriedenheit, Gelassenheit, Authentizität und generell den Wunsch nach Entschleunigung: In Ruhe nachdenken zu können, in Ruhe Dinge erledigen zu können, in Ruhe ein Projekt zu durchdenken, zu planen, zu verwirklichen und zu evaluieren …

Innerlich und äußerlich war etwas da, das ständig angetrieben hat, die unerledigten Dinge wurden immer mehr, die erledigten immer weniger. Das hat das unangenehme Gefühl in uns erzeugt, nie mit etwas fertig zu sein – weder privat, noch beruflich. In einigen hat das zu einem Gefühl der Überforderung geführt: Ich schaffe das Leben nicht mehr, ich bin den Anforderungen – als Mutter, Vater, Tochter, Sohn, Ehemann oder Ehefrau, als Mitarbeiter/-in oder Führungskraft einfach nicht mehr gewachsen. Und dieses Gefühl der Überforderung mit der oftmaligen Konsequenz der Erschöpfung kann in einem Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit münden.

Hartmut Rosa [1] bezeichnet Depressionserkrankungen als eine pathologische Form der Entschleunigung. Empfehlungen, um dieser Spirale entgegenzuwirken oder sie zu stoppen, gehen in Richtung einer Reduktion von Arbeit, Verantwortung, von Engagement und Belastung, Egoismus stärken, Grenzen setzen, mit der Welt auf Abstand gehen. Das mag für eine bestimmte Zeit eine notwendige wie auch sinnvolle Maßnahme zu sein. So wie man nach einem Beinbruch einen Gipsverband bekommt, um das Bein für einige Zeit ruhig zu stellen. Aber danach beginnt das Muskeltraining. Nach der verordneten Ruhe wird ein gezieltes Training begonnen, um am Leben wieder teilnehmen zu können.

Das gilt auch für einen Rückzug von der Welt aus psychischen Gründen. Dauerhafte Abschottung macht nicht glücklich – nur einsam. Genauso wie dauerhafte Fixierung auf das eigene Ego. Umso mehr, als wir von der Hirnforschung wissen, dass in unserem Motivationszentrum Stoffe wie Dopamin, Opioide und Oxytozin ausgeschieden werden, die zu Wohlbefinden, Vitalität und Gesundheit führen. Sie werden dann ausgeschüttet, wenn wir Verhaltensweisen wie Fairness, Kooperation, wertschätzende soziale Interaktion und Teilen zeigen. Also bei gelingenden Beziehungen mit unserer Umwelt [2].

Sind gelingende Beziehungen für uns nicht erfüllbar, führt das zu einer Inaktivität des Motivationszentrums. Wir haben ein „social brain“. Und das hat Programme, die auf soziale Beziehungen getrimmt sind. Deshalb ist Kooperation und nicht Konkurrenz in uns grundangelegt. Das Modell des „survival of the fittest“ bedeutet nicht, dass Aggression und Machtstreben, sondern Intelligenz und Kooperation sich letztendlich als das evolutionäre Erfolgsrezept erwiesen haben [3]. So könnte diese Krise uns dazu verhelfen, dass wir auf der einen Seite unsere Art der Bewältigung des Lebens hinterfragen und auf der anderen Seite zu einem neuen Modell der Kooperation finden.

Selbstverständlich ist es auch sinnvoll, sich durch energetische Maßnahmen zu schützen – zum Beispiel durch das Goldene Quadrat – aber im Grunde ist das einer Symptombehandlung oder -prävention gleichzusetzen. Klug, löst aber nicht das Problem. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Krise auch eine Chance birgt, dann wäre es vielleicht jene, nach der Krise das eigene Leben und das Zusammenleben anders anzugehen: Besonnener, zufriedener und fürsorglicher.


[1] Hartmut Rosa: Beschleunigung und Entfremdung: Entwurf einer kritischen Theorie spätmoderner Zeitlichkeit (Graue Reihe), Suhrkamp 2013[2] Joachim Bauer: Warum ich fühle, was du fühlst: Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone – Aktualisierte Neuausgabe –Heyne 2006[3] Gerald Hüther: Die Evolution der Liebe (Sammlung Vandenhoeck): Was Darwin bereits ahnte und die Darwinisten nicht wahrhaben wollen, Vandenhoeck 2012